Jules Hoch kam als Quereinsteiger zur liechtensteinischen Landespolizei. Im Interview spricht der Polizeichef über fehlende Polizistinnen, die häufigsten Delikte und warum Liechtenstein zu den sichersten Ländern der Welt gehört.
Herr Hoch, Polizist zu werden ist oft ein Bubentraum. Wie war das bei Ihnen?
Die Arbeit der Landespolizei fand ich schon in jungen Jahren spannend. Dennoch bin ich als Quereinsteiger zur Landespolizei gekommen.
Wie kam es dazu?
Ein Schwerpunkt meines sozialwissenschaftlichen Studiums war der Strafvollzug. Ich wollte auch in diesem Bereich arbeiten, aber das hat nicht geklappt. Deshalb habe ich mich entschieden, in der psychosozialen Beratung Fuss zu fassen. Darüber hinaus habe ich mich im Management von Non-Profit-Organisationen weitergebildet. 1999 wurde die Landespolizei reorganisiert. Es galt, die Behörde neu auszurichten und aufzubauen. Ich empfand dies als einmalige Chance und habe mich für die Funktion des Kripochefs erfolgreich beworben.
Warum dürfen mit wenigen Ausnahmen nur liechtensteinische Staatsbürger bei der Landespolizei arbeiten?
Hoheitliche Funktionen, wie beispielswiese polizeiliche Aufgaben, werden normalerweise von liechtensteinischen Staatsbürgern wahrgenommen. Im Zuge der Finanzplatzkrise im Jahr 2000 mussten wir binnen kürzester Zeit externe Spezialisten rekrutieren. Dementsprechend wurde das Polizeigesetz abgeändert. Nun kann in Ausnahmefällen, etwa für spezielle Polizeiexperten, auf die liechtensteinische Staatsbürgerschaft verzichtet werden. Dies muss allerdings vom Landtag des Fürstentums Liechtenstein genehmigt werden.
Liechtenstein gilt als eines der sichersten Länder. Passiert im Fürstentum weniger als anderswo?
Die ländliche Struktur spielt dabei eine wesentliche Rolle; wir haben keine Ballungszentren, und die Bürger sind sehr aufmerksam. Das alles wirkt sich positiv auf die Sicherheit des Landes und auf die Lebensqualität aus.
Welches sind die häufigsten Delikte?
Dazu gehören Diebstahl, Sachbeschädigung und Einbruch sowie Körperverletzungen. Alle drei bis vier Jahre gibt es ein Tötungsdelikt. Daneben kommen kleinere Drogendelikte vor. Wir haben in diesen Bereichen aber keine grossen kriminellen Strukturen. Ein anderer Ermittlungsschwerpunkt liegt im Bereich der Wirtschaftskriminalität. Liechtenstein ist ein Finanzplatz, auf dem Betrug und Geldwäscherei streng verfolgt werden. Hier gibt es immer wieder auch grössere internationale Fälle zu bearbeiten.
Nimmt die Kriminalität in Liechtenstein eher zu oder ab?
Die Kriminalitätsbelastung bewegt sich in den letzten zehn Jahren in einer gewissen Bandbreite. In einem Jahr verzeichnen wir mehr Fälle, in einem anderen wieder weniger. Eine eindeutige Tendenz in die eine oder andere Richtung ist dabei nicht erkennbar.
Welche Rolle spielt die grenzüberschreitende Zusammenarbeit für die Landespolizei?
Wir haben einen Polizeikooperationsvertrag mit der Schweiz und Österreich, der eine enge grenzüberschreitende Zusammenarbeit ermöglicht. Diese Kooperation ist sehr wichtig, zumal wir in verschiedenen Gremien eingebunden sind und ein professionelles Netzwerk pflegen. Dadurch ist sichergestellt, dass der Informationsaustausch und die praktische Polizeizusammenarbeit im Ernstfall funktioniert.
Ist Polizist nach wie vor ein Männerberuf?
In den Nachbarländern arbeiten mittlerweile sehr viele Frauen bei der Polizei. In Liechtenstein nicht. Das ist schade. Wir haben in der Vergangenheit immer wieder verschiedene Massnahmen ergriffen, um mehr Frauen für den Beruf zu gewinnen. Ihre Fähigkeiten wären in allen Polizeibereichen sehr wertvoll.
Welche Fähigkeiten braucht ein Polizist heutzutage?
Ein Polizist muss einerseits fit sein, andererseits braucht er auch soziale und kommunikative Fähigkeiten. Zudem muss er logisch denken und sich auch schriftlich gut ausdrücken können. Denn alle Polizeiaktivitäten müssen schriftlich festgehalten werden. Gerade bei komplexen Delikten werden diese Berichte auch mal sehr umfangreich.
Die Ausbildung ist relativ kurz.
Die praxisorientierte Basisausbildung dauert ein Jahr. Auch hier setzen wir auf Kooperationen. Deshalb lassen wir unsere Polizisten an der Polizeischule in Amriswil in der Schweiz ausbilden. Die Absolventen werden dann erfahrenen Polizisten zugeteilt. Die gesamte Einarbeitungszeit und berufsbegleitende Weiterbildung umfasst einige Jahre.
Was wünschen Sie sich für die Landespolizei?
Die Landespolizei ist für die Sicherheit der Menschen in Liechtenstein zuständig. Das bedingt, rechtzeitig auf Entwicklungen in unserer Gesellschaft aber auch auf europäischer und internationaler Ebene zu reagieren und die notwendigen Massnahmen einzuleiten. Ich hoffe, dass uns das auch unter der aktuell schwierigen sicherheitspolitischen Lage in der Welt gelingt.
Zur Person
Jules Hoch, Jahrgang 1963, hat ein sozialwissenschaftliches Studium absolviert und anschliessend in diesem Bereich gearbeitet. 1999 wechselte er zur Landespolizei und wurde Chef der Kriminalpolizei. 2013 ernannte ihn die liechtensteinische Regierung zum Polizeichef. Der 53-Jährige ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder. In seiner Freizeit geniesst er die Natur beim Sport und bei Wanderungen mit seinem Hund.
Interview: Silke Knöbl
Dieser Artikel ist im Liechtenstein-Magazin oho 2016/2017 erschienen.