Nach dem ersten internationalen Pflichtspiel lagen sich die Akteure der liechtensteinischen Fussball-Nationalmannschaft freudentrunken in den Armen und feierten ihren triumphalen Auftritt: Eine 1:4-Niederlage in Belfast beim «grossen» Nordirland. Doch diese Zeiten sind vorbei, Ansprüche und Niveau im Fürstentum sind gestiegen, der einstige Fussballzwerg ist erwachsen geworden.
Niemand könnte die Entwicklung der Fussball-Nati, wie sie in Liechtenstein genannt wird, besser beschreiben als Mario Frick. Der Balzner hat 125 Partien für die Nationalmannschaft absolviert und ist Rekordtorschütze (16 Treffer), er stand 1994 beim allerersten internationalen Pflichtspiel Liechtensteins auf dem Platz. «Mario Frick ist das Barometer der Nati», sagt Radio- L-Sportchef Chrisi Kindle über den heutigen Spielertrainer des FC Balzers. «Kein anderer verkörpert den Weg vom damaligen Kanonenfutter zur heutigen Mannschaft so gut wie er.»
Kanonenfutter. Prügelknabe. Punktelieferant. Das waren die gebräuchlichsten Ausdrücke für Liechtenstein in den Anfängen der internationalen Auftritte. Aber zu Recht, wie Mario Frick erzählt. «Wir waren eine Amateurmannschaft, eine sehr schlechte Amateurmannschaft. » Das Leistungsgefälle in der Mannschaft sei riesig gewesen, «spätestens nach 60 Minuten waren wir stehend k. o.». Die Erwartungshaltung war dementsprechend tief, so wurden selbst Niederlagen mitunter euphorisch gefeiert. Wie das 1:4 am 20. April 1994 im Windsor-Park in Belfast gegen Nordirland. «Wir sassen im Whirlpool und bejubelten die Niederlage wie einen Sieg. Im ersten Pflichtspiel das erste Tor es war fantastisch. » Torschütze war der eingewechselte Daniel Hasler, heute Co-Trainer beim FC Vaduz. Bevor Mario Frick das erste Mal für Liechtenstein traf, dauerte es noch einige Jahre. 1997 bei der 1:8-Schlappe gegen Rumänien netzte der wieselflinke Stürmer zum zwischenzeitlichen 1:7 ein. Bis zum Karriereende am 12. Oktober 2015 beim 0:3 in Wien gegen Österreich scorte Frick, der über die Schweiz den Weg nach Italien fand und dort sogar in der Serie A erfolgreich auf Torejagd ging, weitere 15-mal für Liechtenstein. Auch wenn er sich an alle seine Treffer bis ins kleinste Detail erinnert, den schönsten Moment erlebte Mario Frick am 7. September 2010, als er just an seinem 36. Geburtstag im legendären Hampden-Park gegen Schottland die 1:0-Führung für Liechtenstein erzielte. Unvergessen bleibt auch sein Tor zum 2:2-Ausgleich am 7. Juni 2000 in Freiburg gegen Deutschland. Am Ende war es freilich zu wenig, Goliath fegte den müden David dank 5 Toren in den letzten 10 Minuten mit 8:2 vom Platz.
Es habe ihm nicht immer Spass gemacht, für sein Heimatland die Schuhe zu schnüren, gesteht Mario Frick. «Die ersten Jahre waren harzig.» Vor allem für einen Spieler wie Frick, für den nur zwei Dinge zählten: Tore schiessen und Gewinnen. «Mit dem olympischen Gedanken «Dabeisein ist alles» konnte ich noch nie etwas anfangen.» Spürbar aufwärts sei es 2003 unter Trainer Walter Hörmann gegangen, betont Frick: «Er modernisierte unser Spielsystem. » Alles wurde professioneller, Trainingsmöglichkeiten, Analysen, die Spieler selbst. Unter Hörmanns Nachfolger Martin Andermatt ein ausgewiesener Taktikfuchs sorgte Liechtenstein dann international für Furore. Am 9. Oktober 2004 trotzte Liechtenstein in der WM-Qualifikation 2006 Portugal mit den Superstars Cristiano Ronaldo, Deco und Pauleta zu Hause ein 2:2 ab, was bis dato als grösster Erfolg für die Nati bezeichnet werden kann. Es war der erste Punkt Liechtensteins in einer WM-Qualifikation.
Vier Tage später fertigte die LFV Auswahl Luxemburg auswärts mit 4:0 ab und feierte den ersten Auswärtssieg überhaupt. Das Image des Prügelknaben war endgültig abgelegt. Galt Liechtenstein früher als willkommener Aufbaugegner, mauserte sich die Mannschaft in den vergangenen Jahren zu einem gefährlichen Aussenseiter, der auch so manchem gegnerischen Trainer den Job kostete. «Einige gingen freiwillig oder mussten gehen, weil sie gegen uns nicht gewinnen konnten», erinnert sich Frick.
Trotz der vielen Niederlagen Mario Frick ist der erste Spieler überhaupt, der in 100 Länderspielen als Verlierer vom Platz ging denkt er gerne an seine Einsätze im Teamdress zurück: «Es war eine wunderschöne Zeit, die mich fürs Leben geprägt hat. Ich habe viel gelernt und wurde reifer.» Und mit ihm das Team. Mit dem EM-Qualifikationsspiel am 12. Oktober 2015 in Wien gegen Österreich (0:3) beendete Mario Frick, der mittlerweile als gelernter Stürmer in der Innenverteidigung zum Einsatz kam, seine Teamkarriere.
Text: Michael Benvenuti
Dieser Artikel ist im Liechtenstein-Magazin oho 2016/2017 erschienen.